Israel unter dem Druck fremder Mächte

Israel unter dem Druck fremder Mächte
Israel unter dem Druck fremder Mächte
 
Die Wende vom 8. zum 7. Jahrhundert bedeutete in Gesamtpalästina einen politischen und kulturellen Umbruch, der durch die Vorherrschaft der Assyrer ausgelöst war. Die Auswirkungen dieser Dominanz waren in den einzelnen Regionen unterschiedlich.
 
Die Eroberung Samarias 722 v. Chr. durch die Assyrer beendete die Eigenstaatlichkeit des Nordreichs Israel, das in Provinzen des assyrischen Reiches umgewandelt wurde, was für viele Städte das Ende bedeutete. Die Stadt Hazor zum Beispiel wurde in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts durch die Assyrer zerstört; auf den Ruinen der einstigen Zitadelle wurde dann nur in assyrischem Stil ein Palast für die assyrische Besatzungsmacht errichtet. Im ganzen Gebiet des ehemaligen Nordreichs ist ein konsequenter Rückgang der Städte feststellbar. Ausgenommen davon waren nur die von den Assyrern als Provinzhauptstädte vorgesehenen Orte Dor, Megiddo und Samaria. In Megiddo lässt sich der Ausbau zur assyrischen Provinzhauptstadt auch archäologisch gut rekonstruieren. Die neue Stadt hatte zwei assyrische Paläste westlich des Nordtors sowie Wohnviertel, die wie auf dem Reißbrett entworfen wirken und von schachbrettartig angeordneten Straßen durchzogen waren. Ein großer zylindrischer Schacht diente der Vorratshaltung.
 
Der Prozess der Entstädterung war eine unmittelbare Folge der assyrischen Politik. Den Assyrern genügte eine dörflich-bäuerliche Gesellschaft, die zur Aufbringung des geforderten jährlichen Tributs fähig, aber zur militärischen Rebellion nicht in der Lage war. Das Schwinden der Städte und der damit verbundene kulturelle Rückgang hingen aber auch mit dem Bevölkerungsschwund zusammen, der zwei Ursachen hatte. Zum einen praktizierten die Assyrer eine rigorose Deportationspolitik. Zum anderen lösten der Einfall der Assyrer und die Eingliederung Israels in das assyrische Großreich einen starken Flüchtlingsstrom aus, der sich damals aus Israel nach Juda ergoss und zu einem sprunghaften Anwachsen der judäischen Städte führte. Besonders plastisch lässt sich dies an der archäologisch erkennbaren rapiden Vergrößerung Jerusalems ablesen. Bedeckte die Stadt nach ihrem Ausbau unter Salomo ein Areal von etwa 18 Hektar, so war sie um 700 v. Chr., also etwa 250 Jahre später, auf etwa 60 Hektar angewachsen.
 
In Juda begann demgegenüber ab 700 ein siedlungsgeschichtlicher Aufschwung, der zur Neugründung von Städten und zum Ausbau beziehungsweise Wiederaufbau von Städten führte. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies in der Wiederbesiedlung aufgelassener Orte sowie in der Neugründung von Städten und Siedlungen im nördlichen Negev und am Westufer des Toten Meeres, wo zum Beispiel der Ausbau einer Parfumindustrie den allgemeinen kulturellen Aufschwung belegt. Auch der Neubau einer großen Palastanlage durch die judäischen Könige in Ramat Rahel südlich von Jerusalem zeugt von dem politischen Selbstbewusstsein des judäischen Königtums: Die Anlage zeigt keinerlei assyrischen Einfluss, sondern setzt sowohl in ihrer Konzeption als auch in den verwendeten Baumaterialien die einheimische Bautradition fort.
 
Die Eroberung und Zerstörung Jerusalems 586 durch den babylonischen König Nebukadnezar II., die Verschleppung der Oberschicht nach Babylon und die Besetzung des Landes durch die babylonischen Militärs signalisieren den Beginn einer allgemeinen städtebaulichen und kulturellen Stagnation, die auch noch in der Perserzeit weiter wirkte. Erst mit der hellenistischen Epoche begann eine kulturelle Neubelebung, die sich besonders an neuen hellenistischen Stadtanlagen (Verlagerung vom »Tell« in die Ebene) und im zunehmenden griechischen Einfluss in Architektur und Malerei sowie in den griechischen Importen (wie Keramik, Koroplastik) zeigt. Die hellenistische Epoche ist auch in der biblischen Literatur jener Zeit (zum Beispiel Kohelet, Hohes Lied) als eine Gratwanderung zwischen der eigenen jüdischen Tradition und hellenistischer Philosophie erkennbar. Unter dem Druck der Seleukiden führte diese Spannung dann im 2. Jahrhundert zum militärischen und ideologischen Widerstand in den Makkabäeraufständen, die auch als massiver Protest gegen die Hellenisierung der jüdischen Kultur, wie sie von Teilen der Jerusalemer Aristokratie praktiziert wurde, zu sehen sind.
 
Prof. Dr. Erich Zenger

Universal-Lexikon. 2012.

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